- Awara
- 06.05.2020
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Russlands Wirtschaft im Jahr des Coronaviruses: Erwartungen und Ausblick
Russlands Reaktion auf die Coronakrise
Im Vergleich zu anderen Ländern, konnte Russland dank schneller Reaktion und Einsatz von präventiven Maßnahmen die Verbreitung des Virus weitgehend reduzieren. Dafür spricht vor allem die niedrige Mortalitätsrate mit 10 zu einer Million, im Unterschied zu den meisten westlichen Ländern wie zum Beispiel 684 in Belgien, 544 in Spanien, 483 in Großbritannien, 481 in Italien, 386 in Frankreich, 274 in Schweden und 211 in den USA. Ein weiterer Vorteil ist, dass Russland aktiv testet und bereits 4,5 Millionen Bürger soweit getestet hat. Pro Kopf ist dies um ein Drittel mehr als die USA und vergleichbar mit Deutschland.
Während viele Länder meist nur bereits erkrankte Menschen testen, setzt Russland auf Tests speziell auch für asymptomatische Fälle. Als globaler Führer von Contact Tracing, konnten Leute der Risikogruppe ohne Symptome ebenfalls getestet werden. Vor zwei Wochen gaben die russischen epidemiologischen Behörden bekannt, dass 60% der positiv getesteten keinerlei oder nur sehr milde Symptome zeigten, später stieg diese Zahl sogar auf 95%. Ähnliche Zahlen verzeichnet auch Schweden, wo 98,5% aller positiv getesteten asymptomatisch sind.
Des Weiteren hat sich das russische Gesundheitssystem während der Krise dank einer generell guten Ausstattung der Spitäler mit medizinischer Ausrüstung und Schutzausrüstung bewährt. Mit Krisenstart hat Russland 17 neue auf Coronafälle spezialisierte Spitäler in Rekordzeit gebaut und weitere bestehende Spitäler speziell für Covid-19 Patienten ausstatten lassen. Die heimische Produktion von medizinischer Ausrüstung und Schutzausrüstung wurde ebenfalls angekurbelt und mit Mai konnte diese die heimische Nachfrage bereits vollständig decken.
Derzeit erwartet Russland eine Lockerung der derzeitigen Ausgangsbeschränkungen mit 12. Mai.
Starke Wirtschaft als solider Wettbewerbsvorteil Russlands
Die Coronakrise stellt die Weltwirtschaft auf eine harte Probe. Russlands Wirtschaft im Vergleich zu vielen anderen Ländern, scheint als starker Akteur aus dieser Krise hervorzugehen. Bezugnehmend auf Awara´s Beitrag zu Russland und Globalwirtschaft, war dies zu erwarten.
Schon vor Covid-19 zeigte sich eine aufkommende Krise an. Die maroden Wirtschaftssysteme vieler Länder konnten nur mittels massiver staatlicher Geldspritzen und Kauf von Zentralbankanleihen zu Null oder Negativsätzen über Wasser gehalten werden.
In einem weiteren Beitrag Anfang dieses Jahres behandeln wir das Thema Coronakrise und wie diese die Weltwirtschaft beeinträchtigen könnte. As Global Growth Stalls, The Russian Economy is Gathering Momentum.
Wir haben auch in diesem Artikel hervorgehoben, dass Russland aus dieser Krise im Durchschnitt besser herausgehen würde.
Hochverschuldung – aber nicht in Russland
Mit außerordentlich niedriger Staatsverschuldung hat sich Russland eine solide Basis für Krisensituationen geschaffen. Mit Ende 2019 betrug die Staatsverschuldung gemessen am BIP 12,9%. Zum Vergleich hatte die USA weit über 100%, würde man Schulden der Bundesstaaten und Städte zu den offiziellen Zahlen hinzufügen. Mit den in den USA bereits angekündigten Anreizen und Rettungsaktionen für Unternehmen, verminderten Steuereinkommen, weiterer Verschuldung und einem niedrigeren BIP als Basis, ist zu erwarten, dass das Verschuldungslevel über 130% ansteigt.
Im Vergleich hierzu, erwartet man in Russland nur einen Anstieg von 3% der Staatsverschuldung. Andere westliche Länder haben dazu im Unterschied das Dreifache an Staatsschulden und viele – wie zum Beispiel Italien, Frankreich und Spanien – sind auf ähnlichem Niveau wie die USA.
Russlands Vorteil hier ist auch die Möglichkeit ein Budgetdefizit in Kauf zu nehmen, da es in den letzten 2 Jahren Überschüsse verzeichnete. Derzeit erwartet man, dass Russland die Krise mit einem Budgetdefizit von 3,5% meistern könnte.
Experten erwarten in den USA ein Budgetdefizit von 3,8 Billionen USD (18,7% des BIP). Während europäische Länder etwas besser abschneiden würden als die USA, sagen Experten dennoch Defizite von durchschnittlich 10% voraus.
BIP Rückgang und Russlands Position
Während es zu früh für genaue Vorhersagen für das reale BIP 2020 ist, zeichnet es sich jetzt schon ab, dass Russland in einer besseren Position als andere Länder ist. Derzeit sind noch zu viele Faktoren unbekannt:
Wie hoch ist die Anzahl von tatsächlichen Insolvenzen und dauerhaften Schäden für die Weltwirtschaft? (Vorrausagbar ziemlich hoch).
Wird sich die Corona-Arbeitslosigkeit in strukturelle und Langzeitarbeitslosigkeit entwickeln? (Wir erwarten dies leider zu einem Großteil.)
Wie hoch ist der Schaden an verfügbarem Einkommen, Vermögen und Ersparnissen? (Massiv.)
Wie lange werden restriktive Maßnahmen in Kraft bleiben? (Zu erwarten ist sicherlich im Bereich Reisen und Freizeitgestaltung zumindest bis Jahresende).
Wird sich Welthandel und internationale Investments erholen? (Nicht nur allein durch die Aufhebung von Corona-Maßnahmen.)
Werden Währungs- und Handelsdispute eingesetzt werden? (Ja.)
Wird die USA einen massiven Handelskrieg und Sanktionen initiieren? (Es schaut danach aus.)
Während wir derzeit davon absehen, genaue Vorhersagen in Zahlen zu generieren, können wir dennoch mit etwas mehr Sicherheit die Positionen von Ländern relativ untereinander kommentieren.
Hierzu ziehen wir die BIP Vorhersagen der Rating Agentur Fitch heran. Fitch sagt für April eine Kürzung von 3,3% am BIP für Russland voraus. Für westliche Länder, hat Fitch weitaus gravierendere Vorhersagen: Eurozone mit einem Rückgang von 7% des BIP, USA mit 5,6% und Großbritannien mit einem Rückgang von 6,3% für 2020. Wir würden hierbei einen weitaus größeren Rückgang des BIP dieser Länder, aber auch des BIP in Russland vorhersagen, wobei Russland im Vergleich zu anderen Ländern relativ dennoch besser abschneidet.
Bei Vorhersagen von BIP Rückgang muss man anmerken, dass der Sektor für fossile Brennstoffe einen weitaus geringeren Teil des BIP einnimmt, als allgemeint angenommen. Gemäß der neuesten Zahlen der Weltbank, sieht man den Sektor mit nur 9% an der Wirtschaftsleistung. Außerdem ist das BIP Wachstum errechnet eher basierend auf Produktionsvolumen als Preisen, wobei keinerlei Rückgang an Produktionsvolumina zu erwarten ist. Wir erwarten Brent Oil mit 35USD/Barrel bei Jahresende.
Keine Hyperinflation in Sicht – Zinssenkungen erwartet.
Russland ist nicht nur als Staat finanziell solide abgesichert, sondern auch Unternehmen und Haushalte. Die Haushaltsverschuldung in Russland ist unter den niedrigsten im Vergleich zu vielen Ländern, wobei außerdem die meisten Russen in Proportion mehr Ersparnisse haben als zum Beispiel Amerikaner. Des Weitern gibt es keine Hinweise die auf eine Arbeitslosigkeit in Russland über 7% bei Jahresende hindeuten, wobei vergleichsweise die Arbeitslosigkeit in den USA schon jetzt bei 20% liegt.
Russland kann außerdem falls nötig die Zinsrate senken, was viele für viele westliche Länder kaum eine Option mehr ist, da sie bereits schon Null- oder Negativraten verzeichnen. Schon im April hat die russische Zentralbank den Leitzins um 0,5%, auf 5.5% gekürzt. Da noch keine Inflation zu verzeichnen ist, sehen wir weiteren Spielraum die Rate weiter auf 4% innerhalb des nächsten Halbjahres zu senken.
In der Vergangenheit, währen Krisen in Russland seit 1990, war die Hyperinflation immer eines der größten Probleme. Während der Corona-Krise stieg die Inflation jedoch bis auf einen geringen anfänglichen Schock nicht an. Dies ist ebenfalls den soliden Finanzen und der Substitutionspolitik Russlands zu verdanken. Die Substitution der sanktionierten Importe (Krise mit der Ukraine) motivierten Russland die eigene Erzeugung und Lebensmittelproduktion zu entwickeln. Dank diesen, ist Russland praktisch autark in der Lebensmittelversorgung und exportiert darüberhinausgehende Überschüsse. Diese Autarkie gilt auch im medizinischen Sektor. Generell hat Russland bei weitem den kleinsten Anteil an Importen relativ zu der Gesamtwirtschaft im Vergleich zu vielen anderen Ländern.
Die damit schon vor der Coronakrise erzielte Unabhängigkeit Russlands im Bereich von Importen und Energieexporten, macht Russland speziell krisensicherer und preisstabil.
Ölpreise bringen den russischen Bär nicht um
Sogar ein starker Einbruch der Ölpreise kann Russlands Position nicht zerstören. Es gibt sogar Spekulationen, dass Russland den Ölkrieg mit Saudi Arabien und en USA nicht maßgeblich versuchte zu verhindern. Oilprice.com berichtete im März, dass Russland sich in dieser Situation sogar mit Ölpreisen um die 25USD/Barrel bis zu 10 Jahren über Wasser halten könne, dank Reserven und stabilen Finanzen. Im Vergleich dazu, so Experten, würde Saudi Arabien gerade einmal 2 Jahre durchhalten.
Der russische Finanzminister Anton Siluanov, hatte Ende April vorausgesagt, dass im Hinblick der derzeitigen Situation, die Mittel des Staatsfonds bis 2024 zureichen würden (Fondsbilanz ist mit 7 Billionen RUB (90 Milliarden USD) erwartet für Ende 2020).
Finanzminister Siluanov erwartet die Gesamtkosten der Corona-Maßnahmen bei 6,5% des BIP (Anmerkung von Awara, wir nehmen an dies ist für die nächsten 2 Jahre gemeint). Die Hauptquelle für die Finanzierung würde durch Kredite erfolgen.
Keine pauschalen Rettungsaktionen und Geldpresse
Trotz der Kritik der Wirtschaftsverbände und Finanzpresse an der russische Regierung für die unzureichende Hilfe während der Krise, sehen wir die Regierung hier zurecht vorsichtig in ihrer Aktion. Während europäische Regierungen massive Hilfspakete ankündigten, die EZB die unlimitierte Option an Anleihen Käufen eröffnete, die US Regierung Billionen allokiert, hat Russland im Kontrast dazu weder Pauschalrettungsaktionen noch Geldpolitische Maßnahmen zur Krisensteuerung. Großunternehmen haben soweit nur etwa 10 Millionen USD in Steuerstundung zugesprochen bekommen. Staatshilfe in Form von Krediten und Finanzierung wird jedoch individuell, von Fall zu Fall entschieden. Wichtig ist hier anzumerken, dass der Staat nur jenen Unternehmen Hilfe zugesprochen hat, die von Massenkündigungen absehen.
Soweit konzentrierte sich der Staat auf Direkthilfe für Klein- und Mittelbetriebe, mit einer 50%igen Reduktion in Sozialbeitragen der Arbeitgeber. Weitere Direkthilfen wurden an von der Coronakrise schwer betroffenen Industrien vergeben wie zum Beispiel Handel, Restaurants, Gastgewerbe, Freizeit und Sport. Die gebotene Hilfe ist leider jedoch unzureichend und inadäquat und wird viele Unternehmen nicht vor dem Konkurs sichern können.
Die Unterstützung der Haushalte ist durch zwei Seiten gesichert. Erstens, tragen Arbeitgeber die Kosten der Ausgangsbeschränkung und der damit zusammenhängenden Home-Office Maßnahme, mit vollen Gehaltszahlungsverpflichtungen. Zweitens, sind Gehaltsverminderung und Entlassungen gesetzlich abgesichert. Unternehmen die diese Gesetze nicht einhalten, können bei Gericht von Mitarbeitern geklagt werden.
Russland setzt auf Marktmechanismus
Russland, im Vergleich zu vielen anderen Ländern, hat die Möglichkeit klassische antizyklische Fiskal- und Geldpolitik anwenden zu können. (Anmerkung Awara, wir nennen diese klassisch insofern, dass diese üblicherweise in Theorie bestehen, aber nicht wirklich praktisch angewandt werden).
Dies beinhaltet der Griff in ein Budgetdefizit in harten Zeiten, nachdem in guten Zeiten ein Überschuss generiert wurde. Dies heißt auch auf Reserven im Staatsfond zurückzugreifen für Finanzierung und Reduktion von Zinssätzen als Stimulation der Wirtschaft.
Russland als fünft-größte Weltwirtschaft, vor Deutschland.
Die Kaufkraftparität zeigt dass Russland Deutschland als fünft-größte Wirtschaft überholt hat. Des Weiteren ist ersichtlich dass die Wirtschaft Chinas um ein Drittel größer als die der USA ist. Hier ist auch anzumerken dass Indiens Wirtschaft alleine nahe ist, die der EU zu überholen, speziell wenn man bedenkt Großbritannien von den EU Zahlen abzuziehen.
Wir betonen hierbei, dass Kaufkraftparität der einzige Faktor ist, mit dem man die relative Größe von Wirtschaften verschiedener Länder messen kann. Der Faktor misst Produktion von Gütern und Leistungen, wobei BIP nur anzeigt, wie teuer ein Land relativ zu dem anderen ist. Wir erläutern den Unterschied zwischen Kaufkraftparität und BIP in diesem Artikel: https://www.awaragroup.com/blog/purchasing-power-parity-adjustments/
Diese Zahlen zeigen einen unbestreitbaren Trend. Diese Resultate sind nicht schuldenbereinigt. Wenn dies erfolgen würde, dann würde Russland noch besser dabei abschneiden. Wir haben ein solches Szenario in diesem Beitrag erarbeitet:
https://www.awaragroup.com/blog/study-on-real-gdp-growth-net-of-debt/
Wir erwarten nach der Coronakrise mit Sicherheit einen weiteren Aufstieg von Russland, China und Indien in Bezug auf deren relativen BIP.
Unser Ratschlag hierzu: Konzentrieren sie sich auf den Osten! Go East.